Wunschlos oder Glücklich

Wir waren vorige Woche zu Gast in der Brüdergemeinde in der Lindenstraße und durften dort die Geschichte von Steffen Müller hören. Diese hat mich tief beeindruckt, auch weil sie so viele Gemeinsamkeiten zu meiner eigenen Geschichte zeigte. Auch ich hatte unter einem gewalttätigen alkoholkranken Vater zu leiden, der besonders dann mit Jähzorn für uns Kinder zur Bedrohung wurde, wenn er mal wieder bei Rudi den Weg nach Hause nicht gefunden hatte.

Und wie Steffen beschloss ich irgendwann, ich müsse nur fest genug trainieren und groß und stark werden, damit ich mich wehren könne. Leider hatte ich nicht die günstigsten genetischen Vorraussetzungen wie Steffen Müller und 1,58m mit knappen 60kg Körpergewicht ist nicht groß und auch nicht stark. Aber auch ich betete zu Gott, nicht dass ER mich stark machen sollte, das hielt ich selbst für aussichtslos, aber dass ER mir helfen sollte. Oft genug wurde so dieses noch vorsichtige Gebet zu meinem Zufluchtsort.

Was wohl sehr deutlich bei Steffen Müller heraus kam, war die Tatsache, der er eben kein Glück fand, auch nicht als er Mister Universe der Naba wurde. Hatte er Wünsche? So weit ich es verstanden habe, war es sein Wunsch bei den Wettkämpfen zu gewinnen und er schaffte es auch.

War er dann glücklich?

Darüber möchte ich heute mit euch gemeinsam nachdenken, darüber was es mit diesem “wunschlos oder glücklich” auf sich hat. Und Marco Michalzik & Eva Jung sollen uns kurz in das Thema einführen. Also lasst uns auf ein Poetry1 von diesen beiden hören.

// Clip

[^poetry]: Marco Michalzik

Den Link zu dem Video, zum Nachhören, findet ihr demnächst auf unserer Web-Seite im Text zu dieser Predigt, oder wer möchte kann ihn auch von mir bekommen. Und ich würde es jedem empfehlen sich diese Worte nochmals in Ruhe zu Gemüte zu ziehen, denn eine umfassendere Übersicht findet man zu diesem Thema nur selten.

Und es ist, wie ich meine eine spannende Frage, die wohl jeden mal, mehr oder weniger vorbereitet, überfällt. Die sich oft genau dann stellt, wenn man durch seinen Alltag erdrückt wird, das Gefühl hat in einem Hamsterrad gefangen zu sein.

Klar brauche ich niemanden zu fragen ob er glücklich sei, den der Sturm im Mittelmeer zu uns getrieben hat. Ich brauche niemanden zu fragen, ob er Wünsche habe, der gerade seinen Job, seine Wohnung, alles was ihm lieb und teuer gewesen war, verloren hat.

Auch Hiob hat niemand gefragt, ob er glücklich sei, wieso auch, denn das Gegenteil war so offensichtlich.

Überhaupt, wieso will denn überhaupt jemand wissen, ob er selbst, oder irgendjemand anderes glücklich ist, womöglich sogar wunschlos!?

Und: wie definierst du Glück, wie definiere ich Glück?

Gibt es da Unterschiede?

Ist Glück etwas, das für alle gleich ist?

Wie wichtig ist mir mein Glück? Und hat es etwas mit meinem Wert zu tun?

Bin ich nur wertvoll, wenn ich Glücklich bin, weil es andere von mir erwarten?

Auf der Suche nach dem ultimativen Glückskeks

Auf der Suche nach dem ultimativen Glückskeks, dem Glücksstein der Weisen sozusagen, gehen Menschen unglaubliche Risiken und Dummheiten ein. Auf dem Weg zum Glück gibt es nicht wenige, die sich verlaufen und nie wieder zurückkehren.

Als Steffen Müller über seine Kindheit berichtete, und vermeintlich klang das einigermaßen harmlos, was es nicht war, erinnerte ich mich an meine eigene Kindheit, an mein eigenes Leben. Es gibt so einige Parallelen, nicht nur unser gemeinsames Geburtsjahr. Ich weiss nicht, ob es besonders in so einer Situation eher nach dieser ausgeprägten Sehnsucht nach Glück kommt, ich kann ja nur für mich sprechen. Doch dieses erdrückende Gefühl von Unglück und Hilflosigkeit war ein starker Antrieb ausbrechen zu wollen, alles hinter sich zu lassen. Hier war mein Antrieb eher “weg”, als dass ich bei meinem Vater geblieben wäre. Ich bin mit meinem Bruder mit 17 Jahren in eine Ausbauwohnung gezogen, die noch nicht ausgebaut war, versteht sich. Es war also eher ein Loch, mit Blumsklo eine halbe Etage tiefer, Kohleheizung, ohne Bad und zugigen Fenstern.

Und dennoch war diese Zeit für mich glücklich.

Endlich frei, ohne Streit und Zorn jeden Tag und einer ersten Perspektive: das eigene Leben.

Hat es also auch etwas damit zu tun, woher man kommt?

Spielt unser Empfinden für Glück uns einen Streich, wenn wir schon alles haben?

Was ich damals gelernt habe, ist viel wertvoller als alles was man sich kaufen könnte, viel bedeutender als jedes Versprechen und Reichtum und Macht.

Und das ist die Erkenntnis; was Freiheit bedeuten kann!

Für mich ist die Suche nach Glück dort am Ende gewesen, wo ich meine persönliche Freiheit gefunden habe. Diese Freiheit entpuppte sich 1993 noch ganz anders als ich es 1987 vermutet hätte, aber heute weiss ich, welches Glück mir widerfahren ist.

Es gibt ein paar Empfehlungen, die in Psalm 1, 1-3 niedergeschrieben sind:

1 Glücklich ist, wer nicht dem Rat gottloser Menschen folgt,

wer nicht mit Sündern auf einer Seite steht,

wer nicht mit solchen Leuten zusammensitzt,

die über alles Heilige herziehen,

2 sondern wer Freude hat am Gesetz des HERRN

und darüber nachdenkt – Tag und Nacht.

3 Er ist wie ein Baum, der nah am Wasser gepflanzt ist,

der Frucht trägt Jahr für Jahr und dessen Blätter nie verwelken.

Was er sich vornimmt, das gelingt.

Das interessante an diesen Versen ist, dass hier gar nichts von Suchen steht. Es wird hier nicht etwa empfohlen:

“Wenn du das Glück suchst, so zieh in die weite Welt!”

oder

“Das Glück der Erde findest du auf dem Rücken der Pferde.”

Was ja ganz ähnlich ist. Und interessant finde ich auch die Empfehlung, sich seine Bubble sehr genau auszusuchen. Würde also auf Neudeutsch so viel heißen wie:

“Suchst du das Glück, so meide alle Social Media Apps, die unmoderiert und ohne Faktenchecks auskommen wollen ;)”

Ok, letzteres ist schon sehr frei interpretiert.

Dennoch wundere ich mich schon manchmal, wie sehr sich Menschen darüber beklagen, dass es in ihrem Channel so wild her geht. Dabei wäre die Lösung so einfach wie naheliegend und wird sogar in Psalm 1 angeraten.

“Halte dich fern von denen, die sich von Gott abgewandt haben!”

Das ist deutlich genug und wirklich, ganz wirklich, du verpasst rein gar nichts, wenn du deinen Account löschst und dich aus dem alltäglichen Shitstorm heraus nimmst. Aber du lebst ruhiger und bist deinem Glück einen ganzen guten Schritt näher gekommen.

Das klingt ein wenig so, als würde ich dem Diskurs zwischen den Menschen aus dem Weg gehen. Dem ist nicht so. Doch wie viel Sinn macht es, wenn die, mit denen dieser Diskurs statt findet gar keine Lösung suchen, wenn es ihnen nur darum geht andere zu diskreditieren, um sich einmal im Leben “überlegen” zu fühlen?

Diese vertane Zeit kannst du dir wirklich schenken. Mit Menschen auch mal zu streiten, die du kennst, von denen du weisst wie sie ticken und bei denen du dir sicher sein kannst, dass es ihnen um einen fairen Austausch geht, kann sehr bereichernd sein und dazu führen, dass du dich aufgehoben, respektiert und akzeptiert fühlst. Das wiederum sind wichtige Bestandteile für einen Umgang miteinander, der Glück begünstigt. Nicht in der Form, dass es mit dem nächsten Lottoschein einen dicken Gewinn geben wird, aber in der Form, dass du dich glücklich schätzen kannst, weil du nicht alleine bist.

Probieren geht über studieren - auch die Enttäuschung

Auf unserem Weg zum Glück stolpern wir durch unsere Welt und manchmal, wenn wir Glück haben, finden wir es auch. Ansonsten geht es uns wie Herrn Rossi, der mit seinem Hund durch die Zeit reiste und das Glück suchte. Wie so viele, braucht es die eine wichtige Erkenntnis, dass nur der das Glück findet, der sich vom Glück finden lässt. Je mehr jemand darauf erpicht ist, sein Glück zu finden, umso zurückhaltender, ja regelrecht schüchtern versteckt es sich und entzieht sich dem Suchenden. Nur wer mutig genug ist, sich finden zu lassen, der wird zu seiner Überraschung vom Glück geküßt und weis nicht wie ihm geschieht.

Genauso schwer lässt sich Glück bei denen finden, die sich Gott abgewandt haben. Wer also Glück mit Erfolg verwechselt, hat schon die erste falsche Weggablung genommen. Das reisst ihn nicht gleich in den Abgrund, aber es verlängert seine Reise; unter Umständen erheblich.

Und dennoch scheint es sehr verlockend zu sein, und es gibt einen Haufen Leute, die wirklich denken, dass die Erfolgreichen, die mit viel Geld und 'nem schicken dicken Auto, 'ner beneidenswerten Lady im Schlepptau, aus der Villa kommend; die sich nur in den obersten Kreisen der ebenso Erfolgreichen verkehren; diese seien es bei denen das Glück zu finden wäre.

Das ist Konjunktiv und ja ich ziehe das erheblich in Zweifel.

Denn wie sagte schon der Dichter: “Frei sein, heißt ein Nichts zu sein!“. Und wer frei ist, der ist frei genug sich vom Glück finden zu lassen.

Es ist doch bemerkenswert wie viele Menschen glücklich sein wollen und noch viel bemerkenswerter ist es, dass sie unterstellen es mit Geld erreichen zu können. Dabei sind sie auch noch erschreckend unkreativ und kommen nicht auf die Idee, auch mal etwas anderes auszuprobieren. Ich verstehe allerdings schon, dass es bei der Probiererei auch zu Enttäuschungen kommen kann, und das sehr abschreckend wirkt. Aber auch Enttäuschungen gehören dazu, daraus ziehen wir unsere Lehren, sie machen uns nicht ärmer und schwächer, sondern stärker und weiser.

Glück ist nicht zu fassen

Aber was immer wir auch tun, Glück ist nicht zu fassen. So bekommt der zweite Vers aus Psalm 1 eine ganz andere Bedeutung:

Wie glücklich ist ein Mensch, der Freude findet an den Weisungen des HERRN, der Tag und Nacht in seinem Gesetz liest und darüber nachdenkt.

Hier geht es nicht darum den Gläubigen zu beschäftigen, auch nicht, dass er die Bibel auswendig lernt und brav aufsagen kann. Ziel der Übung ist es, im Wort Gottes die Weisheit zu finden und so dem Glück auf die Schlichte zu kommen. Nur so lässt es sich locken, anlocken und dazu verleiden zu verweilen.

Wie kann es sein, dass man offensichtlich Glück verschenken, aber dennoch nicht greifen kann mit Händen oder begreifen durch Drehen und Wenden analysieren und nachdenken?

So müssen wir loslassen, was wir so sehr begehren, denn nur so können wir das Glück dazu bringen zurück zu kehren. Es ist ein flüchtiges Wesen, schreckhaft und sensibel, lässt sich nicht sizzieren oder studieren. Aber, und das ist das verrückte, es lässt sich teilen, weiter geben, bestaunen und verschenken. Dabei wird es immer größer, wie ein Sauerteig und alle haben was davon.

Und ist es nicht das Schönste, Beste überhaupt, sein Glück mit anderen zu teilen?

Und wer es verschenkt, den macht es noch reicher.

Glück wird oft übersehen

Dabei wird es unglaublich oft übersehen. Wird am Straßenrand links liegen gelassen und missachtet. Manchen könnte man es auf den Bauch binden, sie würden es nicht erkennen. Aber das hängt wohl damit zusammen, dass sie nach etwas völlig anderem Ausschau halten. Nur hilft dann auch ein Fernglas, Mikroskop und Brille sowieso schon nicht.

Doch um unser Glück zu erkennen, brauchen wir eigentlich nur - offene Augen und ein offenes Herz. Mit zugekniffener Hose und der ganzen Schwermüdigkeit der Welt im Kopf wird es sich hüten anzuklopfen. Denn wie gesagt, es ist sehr schüchtern und sensibel.

Vielleicht erinnert ihr euch an die Schlagzeile im März letzten Jahres (3.2024):

Finnland wird zum siebten Mal in Folge als glücklichstes Land der Welt gekürt. Während die skandinavischen Länder das Ranking anführen, rutscht Deutschland weiter ab. Was ist das Glücksgeheimnis der Finnen?

Im Gegensatz liegt Deutschland, eines der reichsten Länder der Welt, abgeschlagen auf Platz 24.

Sind wir alle “Glücksblind”?

So richtig wissen auch die Wissenschaftler nicht, warum Finnland nun schon das wiederholte mal in Folge den Glücksrekord geholt hat. Vielleicht macht Kälte glücklich? Am schönen Wetter liegt es wohl eher nicht. Als eine der Ursachen wird vermutet, dass es an der kleineren Population und der Bodenständigkeit liegen könnte. Und Bodenständigkeit heißt ja auf dem Boden bleiben, also nicht höher hinaus zu wollen, als einen die eigenen zu kurzen Beinchen tragen wollen. Und auch unser Psalm lässt zwischen den Zeilen diese Bodenständigkeit durchblicken. Die Nähe zu Gott bewahrt uns unsere Bodenhaftung, gibt uns Erdung, die notwendig ist, wenn wir unser Glück finden wollen. Denn nach wie vor ist es käuflich nicht zu erwerben.

Wunschlos und/oder Glücklich?

Nun stellt sich die Frage, inwiefern sich Glück mit unseren Wünschen verträgt. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass manche Wünsche durchaus das Potential haben, einen ganz schön unglücklich zu machen. Interessanterweise ist es eher so, dass man mit den wenigsten Wünschen, immer noch am glücklichsten ist. Ist doch auch irgendwie logisch, oder? Hast du keine Wünsche, können die auch nicht˽nicht in Erfüllung gehen, es gibt darüber keine Enttäuschung und du bleibst offen für Überraschungen, die dich vielleicht glücklich machen ;)

Was also?

Wunschlos, Glücklich?

Wunschlos oder Glücklich?

Wunschlos und Glücklich?

Oder Wunschlos und Unglücklich?

Ist Glück die Summe meiner abgehakten Wunschzettel?

Interessante Frage, wer von euch hat denn einen Wunschzettel?

Ich habe keinen, nicht mal eine “bugetlist”.

Irgendwie hätte ich dann ständig das Gefühl, noch was erledigen zu müssen. Und das würde wieder Druck bedeuten. Als wäre da nicht schon genug.

„Es ist wirklich paradox, dass Gott und alle Eigenschaften von Glück sich nicht teilen lassen, sodass ich am Ende nicht mal mehr weiß, habe ich das eine oder den anderen gemeint die ganze Zeit.“

So sind die Menschen auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück und übersehen das Nächstgelegene, den ihnen am Nächsten. Gott macht jedem Menschen ein Angebot. Dabei geht es doch nicht um die Zugehörigkeit zu einer Kirche, etwas das beim Finanzamt und in der Personalakte hinterlegt ist. Oder das du sagen könntest: “ich gehöre auch dazu”.

Die Gemeinschaft ist hilfreich, der Sahneklecks auf der Erdbeertorte. Aber wichtiger, vor allem anderen, ist deine, und meine, Beziehung zu Gott. ER will für uns, dass wir glücklich sind. Und freilich meinen wir, dass es doch nur mit Wohlstand und Macht, Ansehen und Größe funktionieren kann; doch das ist ein Irrtum. Nur weil Milliarden Fliegen auf Mist fliegen, heißt das noch lange nicht, dass das Zeug lecker wäre, na guten Appetit. Wir sind schließlich keine Lemminge und rennen wie blind einander hinterher.

Es gibt genügend Beispiele von Menschen, die glücklich sind, und all das zuvor genannte nicht haben. So scheinen die Finnen irgendwas anders zu machen als wir. Vielleicht liegt es an einem kühleren Kopf ;) ich weiss es nicht.

Last but not least, möchte ich den Kreis schließen. Und was würde nicht besser zum 1. Psalm passen, als der Letzte. Und Psalm 150 ist wunderschön, könnte besser nicht abschließen was ich alles gesagt habe:

Halleluja – Preist den HERRN! Rühmt Gott in seinem Heiligtum! Lobt Gott, den Mächtigen im Himmel! 2 Lobt Gott, denn er tut Wunder, seine Macht hat keine Grenzen! 3 Lobt Gott mit Hörnerschall, lobt ihn mit Harfen und Lauten! 4 Lobt Gott mit Trommeln und Freudentanz, mit Flöten und mit Saitenspiel! 5 Lobt Gott mit klingenden Zimbeln, lobt ihn mit schallenden Becken! 6 Alles, was atmet, soll den HERRN rühmen! Preist den HERRN – Halleluja!

Und schlußendlich:

Herzlichen Glückwunsch!

Und das meine ich diesmal ganz genau so,

wie ich es sage,

im wahrsten Sinne des Wortes.

Amen

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